Wenn nichts sicher ist, ist alles möglich
Sind wir in der Geschichte gefangen? Während wir immer weniger wissen, welche Informationen wirklich wahr sind und welche nicht, scheinen wir kollektiv auf etwas Unausweichliches zuzusteuern: Wir befinden uns mitten in einer Übergangszeit und Übergänge sind zumeist instabil. Vazlaw Havel sagte einst: Wenn nichts sicher ist, ist alles möglich. Den meisten wäre aber lieber, wenn alles wieder sicher ist und weniger möglich. Die historische Instabilität, die wir alle erleben, spielt sich zwischen zwei Polen ab, Freiheit des Individuums versus Macht des Staates, Selbstbestimmung versus Fremdbestimmung. Zur Zeit scheint sich diese Polarisierung noch zu verschärfen. Sie wurde von Impfzwang und Covid verlagert zum Krieg in der Ukraine. Beiden gemeinsam ist die Auseinandersetzung zwischen individueller Freiheit- und politischem Zwang.Frieden durch Handel – die alte Utopie zerbricht
Kultur ist kein Schicksal, sondern etwas, das wir überwinden und neu gestalten können. Für Adam Smith war die «kommerzielle Gesellschaft» der Höhepunkt der Evolution. Heute ist sie die primäre Ursache für die Zerstörung der natürlichen Lebensbedingungen und selbst die Süddeutsche Zeitung spricht in einem ihrer Leitartikel vom 23.3.2022 vom Ende des Kapitalismus: „Mit der Kaskade der globalen Krisen, die gerade über diesen Planeten hereinbrechen, zeigt sich: Der Kapitalismus könnte das Opfer dieser Zeit werden. Denn die Globalisierung, die an den Wandel durch Handel glaubte, war eine Utopie.“
Eine neue Geschichte der Menschheit
Der Anthropologe David Gräber und einer der führenden Archäologen, David Wengrow stellen in ihrem Buch «Anfänge – eine neue Geschichte der Menschheit», die bisherige Interpretation gesellschaftlicher Entwicklung und das damit verbundene Menschen- und Gesellschaftsbild der Vergangenheit in Frage und fordern uns auf, Gesellschaft und Kultur als etwas Formbares zu verstehen. Die beiden Autoren zeigen auf, dass die meisten indigenen Völker Nordamerikas, die grösstenteils durch die europäische Kolonisierung vernichtet wurden, in sozial und individuell hoch entwickelten Gesellschaftsformen lebten, in denen persönliche Freiheit und Selbstbestimmung an erster Stelle standen. Die Art der Bevormundung durch grössenwahnsinnige Politiker und Experten, wie wir sie weltweit in den letzten beiden Covid-Jahren erlebt haben, erleben wir jetzt in noch krasserer Form in Russland, wo ein soziopathischer Herrscher, ein friedliches Land wie die Ukraine in einer menschenverachtenden Art und Weise mit Krieg überzieht.
David Gräber fragt uns: «Wann haben wir das politische Bewusstsein für Freiheit und Selbstbestimmung verloren, das für unsere Spezies einst so typisch war? Wie kommt es, dass wir Unterwürfigkeit als unentrinnbare Elemente des menschlichen Daseins betrachten? Das wirkliche Rätsel ist nicht, wann erstmals Häuptlinge, Herrscher oder Könige auf der Bildfläche erschienen, sondern ab wann es nicht mehr möglich war, sie einfach durch Gelächter zu vertreiben.»
Kollektive Traumzeit
Eine ideologiefreie- und herrschaftsfreie, selbstbestimmte und nachhaltige Gesellschaft einer möglichen Zukunft können wir nur gemeinsam erschaffen. Es ist Zeit sich zu vernetzen, statt hypnotisiert wie ein Kaninchen vor der Schlange auf den weiteren Verlauf der Geschichte zu warten und Lebensmittel zu bunkern. Auch wenn die Möglichkeit besteht, dass wirklich alles «den Bach runter geht», sollten wir den «Baum» pflanzen, neue Wohnformen ins Auge fassen, eine auf Verbundenheit basierende, lokale Ökonomie, Selbstversorgung, ein anderes Schulsystem, eine Kultur der Selbstbestimmung erschaffen und vieles mehr. In der Sprache der Aborigines würde man sagen, es ist Traum-Zeit. Das Neue erscheint nur dann, wenn wir es gemeinsam erträumen, auch wenn das alte System kollabiert. Es ist besser ein Streichholz anzuzünden, als über die Dunkelheit zu lamentieren, sagt ein altes persisches Sprichwort.
Voraussetzung für eine neue Kultur
Eine neue Kultur verlangt u.a. ein erweitertes Bewusstsein, sonst erschaffen wir alten Wein in neuen Schläuchen. Wer sich eine Zeitlang mit sich und seinem Unterbewusstsein beschäftig hat, weiss, dass sich die äußere Welt nicht ändern wird, wenn man die innere Architektur nicht von limitierenden Glaubenssätzen, Schuldzuweisungen und anderen Altlasten der eigenen Psyche befreit. Das ist oft auch der Grund warum neue Lebensgemeinschaften oder Projekte scheitern. Zu Beginn hat man zusammen wunderbare Ideen, die einem Flügel verleihen, die sich aber nach einiger Zeit in «Albträume» verwandeln. Aus unseren Beziehungen (Ehen) kennen wir diese fatalen, zerstörerischen Mechanismen.
Die radikalste Form von Eigenverantwortung
Das Neue funktioniert erst dann, wenn jeder auch bereit ist, an sich zu arbeiten. Das Statement von Hew Len, eines hawaiianischen Schamanen, bringt das klar zum Ausdruck: «Ist es nicht erstaunlich, dass wenn immer du ein Problem mit jemandem hast, du auch dabei bist.» In seinem Workshop, den ich vor vielen Jahren besuchte, kam anschliessend sofort das nächste Statement, das besagt: «Wenn immer Du das Problem in dir auflöst, löst es sich auch beim anderen auf!» Diese radikale Form von Eigenverantwortung ist aus meiner Sicht unabdingbar, wenn wir neue Wirklichkeiten erschaffen wollen. |