Einen grossen Teil unserer seelischen Entwicklung haben wir unseren Beziehungen zu verdanken. Hier lernen wir Vertrauen, Aufrichtigkeit, Geben und Nehmen und vieles andere mehr. Auch wenn Partnerbeziehungen statistisch betrachtet die grössten Stressfaktoren sind, suchen wir sie immer wieder, spiegeln sie uns doch genau, wo wir in unserer Reifeentwicklung stehen. Zu guten Beziehungen gehört auch, sich mit den eigenen Konfliktmustern und denen des Partners auseinanderzusetzen. Charakteristisch für diese Muster ist das Aufbrechen alter Wunden, die fast jeder von uns ins sich trägt. Die drei Kernthemen dieser archetypischen Wunden sind: Alleinsein, Scham und Täuschung.
Wer verlassen wurde, wird Angst haben wieder verlassen zu werden oder zieht sich im Konfliktfall zurück. Wer selber beschämt wurde, wird seinen Partner vehement durch Vorwürfe oder Anklagen immer wieder beschämen. Wer angelogen oder getäuscht wurde, entwickelt eine hohe Sensibilität für eine mögliche Unaufrichtigkeit des Partners und reagiert mit massiver Wut. Durch Untersuchungen im Bereich der Psycho-Neuro-Immunologie weiss man heute, dass Beschämung z.B. einen regelrechten Angriff auf das Immunsystem bedeutet. Die für das Entstehen von Entzündungen verantwortlichen Botenstoffe werden im Körper freigesetzt und belasten das System.
Diese frühen Wunden, die wir durch Beschämung, alleine gelassen werden oder Täuschung erfahren, erlebten wir meist im Zusammenhang mit Menschen, die uns auch sehr nahe standen: Eltern, Verwandte, Geschwister oder Lehrer. Dadurch werden spätere Beziehungen mit Menschen, die uns nahe stehen, automatisch auch wieder mit der Angst davor, beschämt, allein gelassen oder getäuscht zu werden, verknüpft. Nachdem wir so die Sprache der Verletzungen in Beziehungen sehr früh lernten, ist die zentrale Frage, wie können wir diese Muster„entlernen“ und durch konstruktive Verhaltenweisen ersetzen?
Wollen wir aus den alten Mustern ausbrechen, müssen wir wissen, welcher Schlüssel zum jeweiligen Schloss passt. Der Schlüssel zur Scham: Oft erleben wir in Beziehungen Beschämung durch Vorwürfe oder Anklagen. Das Gegenstück zu Scham bzw. Erniedrigung heisst Wertschätzung. Wer die Sprache der Wertschätzung beherrscht, erkennt das tiefere Bedürfnis der Person, die einen beschämt. Sie möchte wertgeschätzt bzw. anerkannt werden. Man hat sich beispielsweise nicht an eine Vereinbarung gehalten, die man mit dem Partner getroffen hatte und erntet Vorwürfe. Statt mit Gegenangriff zu antworten, versuchen Sie nun Folgendes:
1. Stop. Innenhalten, kein Gegenangriff oder Retourkutsche.
2. In die Reaktion des Körpers hineinspüren.
3. Die Spannung im Körper durch Ausatmen lösen.
4. Sich entschuldigen und fragen: Was kann ich jetzt tun, damit Du Dich wertgeschätzt fühlst?
( Bitte dabei immer eigene Formulierungen bzw. Worte benutzen.)
Die beiden wichtigsten Vorteile einer solchen Reaktion sind: 1. Man verlängert nicht mehr die alten, dys-funktionalen Muster, 2. Das vorwurfsvolle Verhalten des Partners wird ihm dadurch gespiegelt und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass er bzw. sie damit aufhört.
Der passende Schlüssel zum Thema Alleinsein, Rückzug und damit oft einhergehende Kommunikations-verweigerung heisst Zuwendung. Machen Sie sich bewusst, dass dieses Muster oft schon dadurch aktiviert werden kann, wenn einen jemand warten lässt, indem er/sie zu spät zu einer Verabredung kommt. Das Gegenstück zu Täuschung ist Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit. Wer sich getäuscht fühlt, zieht sich enttäuscht zurück und reagiert meist mit extremer Wut. Das Vorgehen ist analog der vorher beschriebenen Situationen. Zunächst halten wir inne, reagieren nicht im alten Modus und fokussieren uns auf das, was im Körper abläuft. Die im Körper gespeicherte Spannung atmen wir bewusst aus. Erst dann sind wir in der Lage dem Partner mit einer heilsamen Reaktion von Wertschätzung, Ehrlichkeit oder Zuwendung zu begegnen. Wer es schafft, in Beziehungen diese zerstörerischen Muster zu durchbrechen, erhält dafür eine Beziehung die liebevoll, unterstützend und heilsam ist.
© Ralph Wilms Transpersonale Akademie