„Wenn Dein einziges Werkzeug ein Hammer ist, schauen viele Dinge aus wie Nägel“ A.Maslow
Authentisch führen, kein Verstecken, keine Tricks, kein Rollenverhalten und keine Spielchen mehr. Wie echt oder authentisch kann man als Führungskraft sein? Wenn ich sauer bin, soll ich meine Wut rauslassen? Wenn es mir schlecht geht, kann ich das zeigen? Lässt sich überhaupt generalisieren, wie man mit negativen Emotionen wie Frust, Ärger oder Wut umgeht, insbesondere in der Mitarbeiterführung? Authentisch führen scheint kein einfaches Thema zu sein, und doch ist es sehr aktuell, denn das Unbewusste drängt mit Macht an die Oberfläche. Führungskräfte werden heute nicht mehr nur einfach respektiert aufgrund ihrer Position, sondern erst dann, wenn sie „authentisch“ bzw. „menschlich“ sind. Dem erstbesten, inneren Impuls nachzugeben, vor allem, wenn man wütend oder verärgert ist, bedeutet noch lange nicht authentisch zu sein; es zeigt vor allem, dass man impulsiv ist. Übrigens alle, die impulsiv sind, halten sich gerne für authentisch bzw. gehen von der Annahme aus, sie hätten ein Recht, sich auf Kosten anderer emotional auszuleben.
Es scheint also nicht so einfach zu sein mit dem Thema Authentizität. Daher macht es vielleicht Sinn, einige Aspekte aufzulisten, die aus meiner Erfahrung ins Thema „Authentizität“ gehören: Impulsives Verhalten lässt sich oft gleichsetzen mit unbewussten, automatischen Reaktionen. Was aufsteigt, wird ungefiltert in Form von emotionalen Reaktionen oder Handlungen, Wutausbrüchen, Jähzorn, cholerischem Gehabe, körperlicher Gewalt oder Lautstärke ausgelebt. Impulsive gesteuerte Menschen sind kaum zu bremsen und können ihre Mitmenschen, Familien, ganze Teams oder Firmen dominieren oder schlimmstenfalls mit ihrer Launenhaftigkeit tyrannisieren. Sie gehen oft von der Annahme aus, dass sie ein Recht haben, alles was in Ihnen aufsteigt, ungefiltert auszuleben. Sie tun dies natürlich immer „mit guten Grund“. Zweifellos wirken sie lebendig, sind aber meist wenig umweltverträglich, und können für die Beziehung, die Unternehmenskultur oder die Zusammenarbeit sehr belastend sein.
„Spontaneität“ ist der Gegenpart zu Impulsivität und als Begriff positiver besetzt. Das Wort „spontan“ findet seine Wurzel im lateinischen Wort „spons“, was soviel wie „freier Wille“ bedeutet. Das Wort „Impuls“ dagegen stammt von „impellere“, was so viel bedeutet wie „anstossen“, der Wortstamm kommt von „pellere“ und das bedeutet „schlagen“! Wer also impulsiv ist, schlägt zu; wer spontan ist, kann aus dem höheren Willen frei entscheiden, was angemessen ist. Wenn wir unsere Mitmenschen nicht erschlagen wollen, sollten wir uns also eher für Spontanität entscheiden, wenn wir authentisch sein wollen. Das Wort „authentisch“ leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet „echt“ oder „selbst-seiend“. Wollen wir es auf unsere heutige Zeit übertragen, dann können wir es mit einer tiefen Selbstbestimmung gleichsetzen. Jemand der authentisch ist, wird nicht mehr von alten Verhaltensmustern oder gesellschaftliche Klischees bestimmt, er handelt von Innen heraus, schöpft aus einer tiefen, spontanen Quelle des Seins.
Maslow war einer der ersten, der sich in der Psychologie intensiv mit dem Thema der Authentizität, auch im Management, auseinandersetzte. Er führte nicht nur den Begriff der „Selbstaktualisierung“ ein, um authentische Menschen zu beschreiben, sondern begründete auch die Psychologie des menschlichen Potentials, aus der sich später die transpersonale Psychologie entwickelte. Selbstaktualisierung bedeutete für Maslow seiner innersten Natur treu zu sein, sich selbst zu vertrauen, authentisch, spontan, ehrlich, expressiv zu sein, und die Quellen für das Handeln in der eigenen Essenz zu finden. Maslow führt dazu aus, „daß man sich, wenn man sich authentisch verhalten kann, auch gut verhalten wird, daß, wenn man von innen heraus handelt, das Verhalten angemessen sein wird.“ Wenn wir also wirklich authentisch sind, statt impulsiv, dann verfügen wir auch über die Fähigkeit, in jeder Situationen das Beste für alle Beteiligten zu erreichen. Maslow betont allerdings auch, dass, damit diese Voraussetzung gegeben ist, ein Mensch frei sein muss von seinem persönlichen Trauma oder negativen Prägungen. Ansonsten wird sein authentisches Verhalten überlagert von alten zerstörerischen Mustern.
„Da wo beim gesunden Menschen Wut an der richtigen Stelle ist, um Missbrauch zu unterbinden und, wo sie aus gerechtfertigter Empörung fliesst, nimmt sie beim ungesunden Menschen die Farbe der Willkür, Bösartigkeit oder blinden Destruktivität an.“ Deswegen halte ich es für unverzichtbar, dass insbesondere Führungskräfte bereit sind, an sich zu arbeiten, wenn sie wirklich authentisch führen wollen. Der Weg in die Selbstaktualisierung führt aber nicht nur zu einer Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit, sondern hilft uns vor allem unser ganzes Potential zu entfalten.
Unter den objektiv, beschreibbaren und messbaren Eigenschaften eines „selbstaktualisierten Menschen“ befinden sich nach Maslow die folgenden:
1. Deutlichere, wirksamere Wahrnehmung der Wirklichkeit.
2. Größere Offenheit für neue Erfahrungen
3. Stärkere Integration, Ganzheit und Einheit der Person.
4. Stärkere Spontaneität und Expressivität; volles Funktionieren; Lebendigkeit.
5. Ein reales Selbst, eine klare Identität, Einzigartigkeit.
6. Größere Objektivität, Abstand zum eigenen Ich
7. Wiedererlangung der Kreativität.
8. Die Fähigkeit, Konkretes und Abstraktes zu vereinen
9. Demokratische Charakterstruktur
10. Erweiterte Liebesfähigkeit
Der Weg in die Selbstaktualisierung, in das authentische Selbst, lohnt sich also. Maslow bezeichnet ihn nicht nur als einen sicheren Weg zum Glück, er eröffnet auch den Zugang zum Besten in uns. Wer diesen Weg geht, erkennt, dass jeder von uns grundsätzlich das Gleiche möchte: Eine sinnvolle Tätigkeit; ein Umfeld, in dem er sich als wichtig, wertgeschätzt, nützlich, stolz, und respektiert fühlen kann. Authentisch führen heisst dann auch, Menschen in ihre eigene Authentizität zu führen und sie darin zu unterstützen, dass sie ihr gesamtes Potential entfalten können.