„Jenseits des Funktionierens“

Der deutsche Philosoph Jürgen Habermas bezeichnete es als die größte Herausforderung unserer Zeit, dass die „Systemwelt“, bestehend aus Bürokratie, Wirtschaft und Technologie, unsere „Lebenswelt“  immer weiter besetzt. Tief schon ist die Logik des reinen Funktionierens in unsere Lebensräume eingedrungen, ohne dass es groß aufgefallen wäre. Der Körper repräsentiert die Lebenswelt, unsere Natur, die wir sind. Je tiefer wir uns auf den Innenraum des Körpers einlassen, umso deutlicher wird uns der mechanische Charakter der künstlichen „Systemwelten“ bewusst, in denen wir uns Tag für Tag bewegen. Sie erzeugen u.a. die Illusion, Urheber dieser Bewegungen zu sein, obwohl wir primär in ihr funktionieren, bewegt werden im Verkehrsstrom bürokratischer, wirtschaftlicher und logistischer Prozesse.

evoking uniquenessDiese Funktionalisierung des Lebens ist schleichend und zugleich schmerzhaft. Die sinnliche Elemente des sich Einlassens auf das Spontane, Unvorbereitete, Überraschende fehlen zunehmend. Das Leben wird dann mechanisch, seelenlos und trist. Die mit Spontaneität einhergehende Lebensfreude verschwindet, und wird nur selten erlebt, allenfalls in unerfreulicher Weise als Stau, Konflikt oder Krankheit.
Der Weg zurück in die Spontaneität und Lebensfreude ist der Weg in die eigene Mitte, in den Körper. Er entsteht, indem man immer mehr zulässt, was spontan passieren könnte. Meditation bedeutet in diesem Zusammenhang, die Dinge aus der Mitte entstehen zu lassen, sich erneut einzulassen auf eine Spontaneität, die wie aus dem „Nichts“ auftaucht. Es bedeutet empfänglicher, rezeptiver zu werden für das „Verrückte“ in einem. Es bedeutet das Gegenteil von zielgerichtet sein.

Über die Tiefendimension innerkörperlicher Erfahrung erfährt man dann wieder den energetischen Raum des Seins. Die Absicht aller Meditationstechniken liegt im Ankommen in diesem inneren Körperraum der Lebensfreude.  Im tiefsten, authentischen Kern unseres Wesens verbinden wir uns wieder mit dem spontanen Dasein im Leben und einer Freude, die unabhängig von Äußerem ist.  Der Frühling ist eine phantastische Jahreszeit für diese innere Ekstase, für ein Ausbrechen aus der funktionalen Normalität der Systemwelten.Lassen Sie zwischendurch die Welt einfach die Welt sein. Vergessen Sie Ihre Sorgen und Probleme. Machen Sie ab und zu Urlaub von der scheinbaren Normalität des gesellschaftlichen Irrsinns. Tauchen Sie ein in die Lebenswelt der Spontaneität allen Seins. „Still sitzen, nichts tun, der Frühling kommt und das Grass wächst von alleine,“ heisst es in den alten Schriften des Zen-Buddhismus.

Wer frei sein will vom reinen Funktionieren, kommt am Körper nicht vorbei. Damit ist nicht gemeint, dass man alles Mögliche in ihn hineinstopft oder sich über den ganzen Globus schleppt, in der Hoffnung, dass ein anderer Ort das innere Erleben nachhaltig beeinflussen würde. Wir nehmen unseren inneren Lebensraum überall mit, egal wohin. Wenn dieser innere Raum Weite hat, ist er automatisch mit der Lebensfreude verbunden. Meine Empfehlung: Machen Sie zwischendurch gar nichts. Vertrauen Sie der Weisheit Ihres Körpers. Er weiss genau,  was Ihnen im Augenblick wirklich gut tun würde, und dann tun Sie es.

 

Schreibe einen Kommentar