Die Innenwelt der Aussenwelt

IMG_1560„Es gibt keine Wirklichkeit außer der in uns. Dies ist auch der Grund, warum so viele Menschen ein unwirkliches Leben führen. Sie halten die Bilder der äußeren Welt für die Wirklichkeit und lassen die innere Welt sich nie entwickeln.“  Hermann Hesse

Die Komplexität und der Druck der äußeren Welt nehmen mit jedem Tag zu, als ob wir auf einen Kulminationspunkt zulaufen würden. Da dies ein schleichender, aber kontinuierlicher Prozess ist, entgeht er jedoch weitgehend unserer Aufmerksamkeit. Typisch für diesen Prozess ist, dass lang verdrängte Themen, entweder als Konflikt von Außen oder als psychische Belastung von Innen, an die Oberfläche kommen. Wer mit dem wachsenden äußeren Druck besser umgehen will, dem sei empfohlen, sich zunächst intensiver mit der Innenwelt auseinanderzusetzen, statt primär im Chaos der äußeren Realität „herumzuwurschteln“.  Im Coaching mit Führungskräften begegnen mir in den letzten 12 Monaten vermehrt Klienten, die ihrer Innenwelt bislang erfolgreich ausgewichen waren, sich jedoch plötzlich am Rande eines seelischen Abgrundes wiederfanden. Nur wenige schaffen es, den wachsenden Stress dadurch zu bewältigen, indem sie kontinuierlich an ihren inneren Themen arbeiten.

Wenn wir im Inneren gespalten sind, werden wir auch im Äußeren Trennung und Leid, für uns und andere, erzeugen. Kriege und Konflikte, ob global, lokal oder persönlich sind nicht anderes, als Ausdruck eines Bewusstseinszustandes, der sich als getrennt von der Welt erfährt. Insofern ist es konsequent, die äußere Realität als ein Spiegel der Inneren zu betrachten. Wenn wir uns nicht als Einheit erfahren, wenn es uns nicht gelingt, die abgespaltenen Fragmente der Psyche zu heilen, setzen wir die Fragmentierung im Äusseren fort, auch wenn wir vielleicht mit guter Absicht nur „das Beste“ für andere wollen.  Es scheint vielleicht weit hergeholt einen Bezug zwischen der inneren Wirklichkeit der Mitarbeiter und den Geschäftsstrategien des Unternehmens herzustellen. Dennoch gibt es anschauliche Beispiele, in denen die innere Realität einer Führungskraft massive Auswirkungen auf das Leben der Mitarbeiter haben. Wenn der Geschäftsführer eines Unternehmens aufgrund einer Profilneurose das Letzte aus seinen Mitarbeitern herausholen will, um in seinem Club mit den besten Zahlen zu glänzen, so hat dies für die betroffenen Mitarbeiter massive Konsequenzen. 

Umgekehrt gibt es auch Beispiele von Unternehmen, wie das Modeunternehmen Eileen Fischer oder Google, in denen die Anwendung von Achtsamkeitsprinzipien wichtige Erfolgsfaktoren sind. Google z.B. hat ein Programm für die Mitarbeiter aufgelegt mit dem Titel „ search inside yourself“. Ziel dieses Programmes ist es in den Führungskräften Qualitäten wie Weisheit und Mitgefühl zu entwickeln. Längst ist also die Erforschung des eigenen Bewusstseins keine Freizeitbeschäftigung mehr, mit denen sich Hobbypsychologen beschäftigen oder Menschen, die unter schwerwiegenden, psychischen Störungen leiden. Wenn wir tiefer in die eigentlichen Ursachen unserer Konflikte bzw. gestressten Wirklichkeit eintauchen wollen, bleibt uns der Blick in die Innenwelt nicht erspart. Ansonsten laufen wir Gefahr von den Stürmen des Unterbewusstseins entwurzelt zu werden oder in der Oberflächenstruktur des Alltags zu erstarren.
Sobald wir aktiv mit der Dynamik von Innen und Außen zu arbeiten beginnen, erfahren wir wie wirkungsvoll sich beide beeinflussen, wie die äußere Realität aus der Inneren hervorgeht. Im Spitzensport ist seit Jahrzehnten bekannt, dass die innere Programmierung des Unterbewusstseins einen zentralen Einfluss auf das Ergebnis hat. Ohne die „Kraft des Denkens“, die Reprogrammierung seiner inneren Realität, erreicht heute kein Spitzensportler mehr sein Ziel. Doch haben wir es im Sport mit einer vergleichsweise geringen Komplexität zu tun: Sich wiederholende Bewegungsabläufe, Konkurrenten, Trainer, und ggf. die Mitspieler. In unserer privaten und beruflichen Alltagsrealität spielen weitaus mehr Faktoren hinein. Deshalb ist es umso wichtiger in allen Lebensbereichen, die Ereignisse nicht mehr den unbewussten Mustern  der Innenwelt zu überlassen, sondern unser Bewusstsein und seine schöpferische Gestaltungskraft zu nutzen, um eine Wirklichkeit zu erzeugen, die wir tatsächlich wollen. 

Schreibe einen Kommentar