„Es wird eine Zeit kommen, wenn Du Dir Selbst in Form Deiner Seele begegnest, an Deiner eigenen Tür, in deinem eigenen Spiegel, und jeder wird den anderen mit einem Lächeln begrüssen.“ Derek Walcott
Die Psyche ist ein Schmetterling. Sie ist unglaublich sensibel. So empfindsam wie ein kleines Kind. Leicht fliegt sie weg und spaltet sich in viele Teile auf, die sich, wenn es unerträglich wird, in eine Traumwelt oder andere Dimensionen verflüchtigen. Die Griechen nutzen deshalb das gleiche Wort für Seele und Schmetterling: Psyche. Wenn Erlebnisse unerträglich werden, weicht die Seele aus, sie spaltet sich ab. Psychologen nennen dieses Phänomen Dissoziation, Schamanen nannten es in vielen Kulturen Seelenverlust. Die Anzahl dissoziativer Störungen hat in den westlichen Gesellschaften eine epidemische Dimension angenommen. Wenn wir Seelenanteile verlieren, verfügen wir nicht mehr über unsere gesamte Energie, Weisheit und innere Führung. Chronische Müdigkeit, Antriebslosigkeit, fehlende Lebensfreude, Depressionen, Orientierungslosigkeit und viele andere Symptome sind Ausdruck einer „seelenlosen Gesellschaft“. Mit abgespaltenen Seelenanteilen lebt man lediglich in der Oberflächenstruktur des Lebens. Kein Wunder fühlt man sich gespalten, verwirrt oder energielos.
In der transpersonalen Reise geht es darum, diese abgespaltenen Seelenanteile zurückzuerobern. Die direkteste Reiseroute ist die über die eigenen Träume. In ihnen spiegelt sich die ungeschminkte Wahrheit der Seele wieder. In ihnen versucht unsere Seele immer wieder mit uns zu kommunizieren.
Viele geben ihren Träumen keine Beachtung, obwohl sich in ihnen die tiefere Wahrheit ihres Wesens offenbart. So bleibt ihnen die Welt ihrer eigenen Seele und ein direkter Zugang zu einer natürlichen Form der Heilung verschlossen.
Wann und warum spalten wir Teile der Seele ab und verlieren einen wichtigen Teil unserer Energie und Identität? Unsere Gesellschaft suggeriert uns in der Kindheit, Erwachsenen werden bedeutet, das alles, was das Kind in uns repräsentiert, aufgegeben werden soll. „Sei vernünftig! Reiss Dich zusammen! Spinnst Du! Was soll aus Dir werden?!“ Das waren die nie endenden Phrasen, die meine Kindheit begleiteten und dazu führten, dass ich mich bemühte, so wie viele andere auch, so schnell wie möglich mein Kind-Ich in die Tonne zu werfen. Der Preis, den wir dafür zahlten, ist immer der Verlust unserer Kreativität, Lebensfreude und Spontaneität.
Symptome, die einen Seelenverlust anzeigen:
- Der Verlust vitaler Lebensenergie. Chronische Müdigkeit (Chronique Fatique), Lustlosigkeit, Apathie, schwaches Immunsystem. Das Fehlen von etwas Substantiellem, dass dann häufig mit Essen, Süssigkeiten oder Alkohol kompensiert wird. Sobald wir verlorene Anteile der Seele integrieren, kommt die Energie zurück
- Der Verlust unseres jugendlichen Selbst: Unsere jüngere Version, das Kind oder der Jugendliche mit unbändiger Energie und Enthusiasmus, einer wunderbaren Vorstellungskraft, einer poetischen oder musikalischen Ader wurde vielleicht brutal verletzt und hat sich dann verabschiedet. Diese jüngere Version unseres Selbst hat viele Geschenke für uns und vor allem unbändige Lebensfreude, die wir für unser Leben sehr gut brauchen können.
- Der Verlust unserer Sensibilität: Ohne unsere Sensibilität werden wir grob zu uns und zu anderen. Die feinen Zwischentöne, die das Leben ausmacht sind uns fremd. Nur das Grob-Materielle und Leistung zählt. Wir werden beziehungsunfähig, sowohl zu uns selbst als auch zu anderen. Mit der Wiederkehr der sensiblen Seelenanteile gewinnen wir die Tief des Seins zurück.
- Der Verlust des höheren Selbst. Ohne unser Höheres Selbst bleiben wir orientierungslos und verirren uns in der trivialen Konsumwelt. Weder erkennen wir unsere tiefere Aufgabe in diesem Leben, noch sind wir fähig anderen Menschen Orientierung zu geben. Mit der Integration des höheren Selbst kommt innere Führung, Weisheit und Humor ins Leben zurück.
Die Odyssee, eine der grossen, epischen Werke der griechischen Geschichte, beschreibt auf wunderbare Weise den Verlust und die Rückkehr der Seele nach Hause. Für die Griechen bedeutete der Traum den Botschafter der Seele (Oneiros) aus der Republik der Träume. Für die Priester des Apollon, die Heiler und Schamanen des Altertums, waren die Traumtempel des Asklepios (Äskulap) vor allem Orte der Heilung, in denen Heilträume Menschen wieder mit den abgespaltenen Teilen ihrer Seele verbanden.
Der erste Schritt sich wieder für die Seele zu öffnen besteht darin, seinen Träumen mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Jeder Mensch träumt jede Nacht. Aber erst, wenn wir unseren Träumen Bedeutung geben, kommen sie wieder in unser Bewusstsein. Der zweite Schritt ist ein Traumtagebuch zu führen, in dem wir unsere Träume am morgen aufschreiben. Sobald wir mit einem Traumtagebuch beginnen, reagiert das Unterbewusstsein sofort und die Traumerinnerung nimmt zu. Im dritte Schritt laden wir abgespaltene Seelenanteile ein, zu uns zurückzukehren. Der beste Augenblick dafür ist unmittelbar vor dem Einschlafen. Lassen Sie sich von Ihrem Traumbewusstsein zeigen, welche Anteile reintegriert werden müssen. Das wichtigste für dieses Vorgehen ist Geduld und Kontinuität. Es gibt keine wirkungsvollere Art der Selbst-Heilung.