Betrachten wir die letzten 150 Jahre technischen Fortschritts und die damit einhergehendeBewusstseinsveränderung, dann wird deutlich, dass beide jeweils tief in die Lebensweise und das Selbstverständnis der Menschen eingreifen. Mit der Mechanisierung, bzw. der Dampfmaschine beginnt kurz drauf der Siegeszug des Autos. Das Auto ist dem Körper nachgebaut. Es braucht Nahrung, sprich Treibstoff, der wird in Bewegung transformiert, erzeugt Abfall und der stinkt, in beiden Fällen. Der organische wird von der Natur gut abgebaut, die Abgase verpesten immer noch unserer Luft. Mit dem Auto wird die Gesellschaft in die Moderne katapultiert; soziale Strukturen werden aufgebrochen, Familiensysteme auseinandergerissen und Mobilität zum dominanten Lebensprinzip.
Mit der Computerisierung bilden wir erstmalig nicht allein die Mobilität des Körpers nach und erreichen viel höhere Geschwindigkeiten, sondern hier geht es nun um mentale Prozesse, Computer Codes, die im Zuge der Automatisierung immer mehr Routineprozesse übernehmen. Eine Welt ohne PCs ist heute nicht mehr denkbar. Sie begleiten uns auf Schritt und Tritt und veränderten massiv unsere Arbeitswelt, unsere Beziehungen und die Art, wie wir kommunizieren. Der PC ermöglicht uns erstmalig Simulationen zu kreieren und komplexe Rechenoperation in Nanosekunden durchzuführen. Das Internet funktioniert wie ein kollektives, globales Gehirn und verändert nochmals beträchtlich unsere Lebensgewohnheiten.
Im nächsten Schritt erschaffen wir gerade mit AI – Artificial Intelligence – sich selbst-steuernde, lernende Maschinen, Cyborgs. Auch diese Entwicklung wird massiv in unsere Realität eingreifen. Es ist noch nicht wirklich absehbar, wohin das führen wird. Am aktuellen Skandal mit Cambridge Analytics wird deutlich, dass z.B. Wahlen heute nicht mehr an der Wahlurne entschieden werden, sondern durch Algorithmen und Manipulation. Offensichtlich dagegen ist, dass wir Menschen und die politischen Systeme hinter der Entwicklung herlaufen und nur wenige Menschen durchschauen, was da eigentlich gerade passiert.
Mit rasantem technischen Fortschritt, vor allem im IT-Bereich nähern wir uns immer mehr der Rechenkapität und Lernfähigkeit biologischer, neuronaler Netzwerke an. Verhalten wird vorhersehbar und in Algorithmen zerlegt. Facebook, Google und Amazon kennen Dich besser, als Deine Freunde. Individualität wird entmystifiziert, bzw. zur Farce, da sie sich in Schlüsselbegriff und Tags (Kategorien) einordnen lässt. Lebens und Konsumgewohnheiten werden unglaublich berechenbar. Jeder hinterlässt Spuren im Netz, die sich schnell zur Profilen „clustern“ lassen. Diese Datenprofile werden heute immer mehr als der tatsächliche Wert eines Unternehmens angesehen, da sie in einer auf permanentem Konsum aufgebauten Gesellschaft den größten Wert darstellen. Auch wenn sie zurzeit noch nicht in den Bilanzen von Banken, Versicherungen, Medienunternehmen und Supermärkten auftauchen, werden sie von Silikon Valley als die zentralen Werte der Zukunft angesehen. Geraten wir hier in einen kollektiven Albtraum, manipuliert und gesteuert von Logarithmen, Marketingstrategien und einer rein auf Profit und ständigem Wachstum ausgerichteten Wirtschaft?
Was also können wir tun, um nicht als Daten-, bzw. “Konsum-Schafe“ zu enden, die nur darauf warten geschoren zu werden? Wie kann es uns gelingen, ein viel höheres Maß an Selbstbestimmung zu entwickeln, die uns vor Manipulation, Fremdbestimmung und Täuschung bewahrt? Wie erschaffen wir eine Gesellschaft, in der die limitierten Ressourcen der Erde allen Menschen ein würdiges Dasein ermöglichen? Obwohl das Zitat von A. Einstein,„dass man ein Problem nicht auf der gleichen Bewusstseinsebene lösen kann, auf der es entstanden ist,“schon vielfach benutzt wurde, drückt es doch eine Kernwahrheit und auch ein Kerndilemma aus. Wir dürfen Themen wie Bewusstsein, Authentizität, Individualität, innere Wirklichkeiten, Denkstrukturen, Haltungen, Einstellungen, etc. nicht ausklammern. Ansonsten bleiben wir im Beschränktheit der alten Denkmuster gefangen.
Wir kommen nicht umhin, uns mit den alten Algorithmen im eigenen Bewusstsein zu befassen, bzw. sie zu ersetzen, upzugraden oder aufzulösen. Wer die Reise in die Tiefen des eigenen Bewusstseins antritt, macht das meistens nicht freiwillig. Erst wenn die Lebensumstände oder Verhaltensmuster destruktiv werden, d.h. zu Krankheit, Burnout, Scheidung, Sucht (Alkohol), Schlaflosigkeit, Einsamkeit oder Verzweiflung führen, sucht man einen „Mechaniker“ auf, die heißen heute Coach, Psychologen oder Psychiater. Die sollen einen dann so rasch wie möglich wiederherstellen, so wie man ein Auto repariert, damit wir den Großteil unser alte Leben wiederaufnehmen können. Mit anderen Worten, die klassische Psychotherapie ist reine Reparaturmechanik und nicht besonders erfolgreich.
Wollen wir einen wirklich nachhaltigen Bewusstseinswandel vollziehen, müssen wir schon tiefer gehen. Die gute Nachricht ist, das können wir. Wir haben die Techniken dazu und sie funktionieren. Die schlechte Nachricht ist, dass die Lebensumstände immer noch so gut sind, bzw. der Leidensdruck noch zu gering, dass Menschen auf einer breiten Basis diesen Sprung und die damit verbundene Arbeit machen würden. Doch historisch gesehen war es, laut Margaret Mead, einer der großen Anthropologen des letzten Jahrhunderts, immer nur eine kleine Gruppe von Pionieren, die den Lauf der Geschichte verändert haben. Allerdings wissen wir nicht, ob wir für die notwendige Bewusstseinstransformation ausreichend Zeit zur Verfügung haben werden, bevor wir unsere Lebensgrundlagen auf der Erde zerstören.
Wer die Reise nach Innen antritt, und das sind in den westlichen Industrieländern nicht wenige, und sich nicht von den anfänglich auftauchenden, inneren „Dämonen“ in die Flucht schlagen lässt, auf den wartet ein Geheimnis. Es ist nicht das Geheimnis, das der Buddha schon vor 2500 Jahren entdeckte, dass die Macht deiner Gedanken dich zerstören oder heilen kann, obwohl diese Erkenntnis seit geraumer Zeit ein Revival erlebt. Das größte Geheimnis ist, dass da tief in uns so etwas wie ein „geheimer Plan“, ein Lebens- bzw. Seelenscript existiert, von einer Intelligenz geschaffen, die viel älter ist, als unsere körperliche Hülle. Fast alle schamanischen und spirituellen Traditionen dieses Planeten würden das unterschreiben. Sicher haben wir freien Willen und können veranstalten, was immer wir wollen. Wollen wir aber in Einklang und Harmonie mit Umwelt und Mitmenschen leben, dann schauen wir besser tief nach Innen, entdecken unsere Berufung, unseren Seelenplan und lassen ihn sich auf dieser Reise des Lebens entfalten. Das macht die Reise weniger schmerzhaft und passt sich wunderbar in die höhere Ordnung der Natur ein, für die alle Kulturen einen Namen hatten: Das Tao, Bestimmung, Schicksal, Buddha-Mind, Dharma, Seele, Höheres Selbst, die Gesetze des Lebens, kosmische Ordnung, etc… Die transpersonale Psychologie hat den Anspruch die unterschiedlichsten Wege in die Tiefendimension des Selbst., d.h. den Zugang zu diesem geheimen Seelenplan zu erleichtern. Auch wenn wir erst am Anfang stehen, einen ideologiefreien Zugang für viele Menschen in ein erweitertes Bewusstsein herzustellen, so halte doch ich dieses Bemühen für einen der wichtigsten Schritte in der Entwicklung zu mehr Menschlichkeit und einer lebenswerten, nachhaltigen Zukunft.
© Ralph Wilms, Transpersonale Akademie Mai 2018 / Fotos by Pedro Lopes and Alex Block on Unsplash