Wer entscheidet hier eigentlich?

Misserfolg im Business, falsche Partnerwahl oder die Entstehung von Krankheiten lassen sich meistens auf falsche Entscheidungen zurückführen. Wir essen den fettigen Hamburger doch, trinken zu viel, rauchen oder gönnen uns keine Pause, stressen uns mit Mails, obwohl der Arbeitstag eigentlich vorbei ist. Wer entscheidet hier eigentlich? Nun, die neurologische Forschung sagt uns, dass das Gehirn entscheidet, lange bevor wir uns dessen überhaupt bewusst sind. Sie sagt uns auch, dass wir viele Antagonisten in unserem Gehirn haben, die uns permanent gegensätzliche Informationen geben: Kurzfristig gegen langfristig, Gefühl gegen Vernunft, Disziplin gegen Lust, usw.

Das Meiste was wir dann entscheiden gleicht einem Abnicken der vom Gehirn bereits vororganisierten Präferenz. Der Ort im Gehirn, wa-trip.com an dem wir bewusst entscheiden können, heisst in der Neurologie Frontaler Kortex. Der allerdings ist schnell erschöpft und verliert rasch die Übersicht. Wenn das passiert, entscheidet die Automatik, d.h. die alten Konditionierungen oder die Instinkte. Das kann gut gehen, muss aber nicht. Will man seine neuronale Entscheidungskompetenz erhöhen, lohnt einerseits der Blick in eigene „dysfunktionale Verhaltensmuster „, um sie  erfassen und auflösen kann. Andrerseits ist es sinnvoll, seine Entscheidungskompetenz zu erweitern, in dem man den Direkterfahrungsmodus des Gehirns aktiviert.

Norman Farb von der Universität von Toronto bezeichnet zwei Modi, in denen das Gehirn arbeitet. Der eine Modus ist der narrative Schaltkreis, mit dem wir Planen, Tagträumen, Grüblen, uns Sorgen machen, über uns selbst nachdenken und alles ständig kommentieren oder interpretieren. Dies ist der Standardmodus des Gehirn und Menschen, die sich hauptsächlich in diesem Modus aufhalten sind nicht meistens unzufrieden. Hier entscheiden die konditionierten Muster, Instinkte und das Unterbewusstsein. Der zweite Schaltkreis, den wir zur Verfügung haben,  nennt Farb den.  Dies sei eine völlig andere Art die Welt zu erleben. Er liegt interessanterweise in einem Teil des Gehirns, den man Inselrinde (Insular) nennt.  Die Inselrinde  ist u.a. auch für die Wahrnehmung körperliche Empfindungen zuständig, sowie das Aufspüren von Irrtümern und den Aufmerksamkeitsfokus. Mit dem Direkt-Erfahrungs Netzwerk hören Sie auf nachzudenken und richten stattdessen Ihre Aufmerksamkeit auf die Gegenwart und sie sinnlichen Wahrnehmungen, die auf Sie einströmen. Für mich ist es völlig klar, dass dieser Direkterfahrungsmodus seine eigene Intelligenz hat, die David Eagleman, ein amerikanischer Neurologe,  das implizites Wissen des Gehirns nennt. Dieses Wissen geht weit über das hinaus geht, was wir bewusst wahrnehmen können. Er beruft sich u.a. auf Experimente wie das von Hirnforscher Antoine Bechara : „Bechara liess Testpersonen  nacheinander Karten von beliebigen Stapeln zu ziehen. Jede Karte stand für den Gewinn oder den Verlust einer gewissen Summe. Im Laufe der Zeit erkannten die Teilnehmer, dass die Stapel sich unterschieden: Zwei waren »gut«, das heißt, die Teilnehmer verdienten unterm Strich, und zwei waren »schlecht«, das heißt, sie zogen mehr Nieten als Gewinne. Während die Teilnehmer überlegten, von welchem Stapel sie die nächste Karte ziehen sollten, wurden sie immer wieder von den Wissenschaftlern unterbrochen und nach ihrer Meinung gefragt: War einer der Stapel besser als die anderen? Welche waren gut, welche schlecht? In der Regel wussten die Teilnehmer nach etwa 25 Runden, welche Stapel gut waren und welche schlecht. 

Bechara maß außerdem die Leitfähigkeit der Haut, die Aufschluss über die Aktivität des vegetativen Nervensystems und über mögliche Fluchtreaktionen gibt. Dabei machte er eine erstaunliche Feststellung: Das vegetative Nervensystem entdeckte das Muster sehr viel schneller als das Bewusstsein der Teilnehmer. Wenn die Teilnehmer nach einem schlechten Stapel griffen, kam es zu einem Ausschlag, der im Grunde nichts anderes war als ein Warnsignal. Dieser Ausschlag war schon ab der 13. Karte erkennbar. Das heißt, das Gehirn der Teilnehmer registrierte die zu erwartenden Gewinne und Verluste, noch ehe ihr Bewusstsein Zugang zu dieser Information hatte. Und diese Information nahm die Form einer »Ahnung« an: Die Teilnehmer bevorzugten die guten Stapel, lange bevor sie explizit Gründe dafür nennen konnten. Das heißt, sie benötigten kein bewusstes Wissen, um gute Entscheidungen zu treffen.

Mehr noch, es stellte sich heraus, dass die Teilnehmer dieses Bauchgefühl brauchten: Ohne wären ihre Entscheidungen sehr viel schlechter ausgefallen. Bechara führte das Experiment auch mit Patienten durch, deren Gehirn im vorderen Bereich, genauer gesagt in dem an der Entscheidungsfindung beteiligten ventromedialen präfrontalen Kortex, geschädigt war. Dabei stellte er fest, dass bei diesen Menschen das Warnsignal auf der Haut ausblieb. Ihr Gehirn erkannte das Muster nicht. Und selbst nachdem sie bewusst bemerkt hatten, welche Stapel gut und welche schlecht waren, trafen sie erstaunlicherweise immer noch falsche Entscheidungen. Das heißt, das Bauchgefühl ist wesentlich, um gute Entscheidungen zu treffen.

Bewusstsein wirkt bei den meisten Aufgaben eher störend, es ist jedoch nützlich, wenn es darum geht, Ziele zu setzen und den Roboter anzuleiten. Die Evolution hat den Zugang des Bewusstseins vermutlich genauestens austariert: Zu wenig, und das Unternehmen ist orientierungslos; zu viel, und es schleppt sich dahin, weil es Probleme auf umständliche und kraftraubende Weise lösen muss.“

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