Die Weisheit der Dagara
«Welcoming Spirit Home»
Deine Mutter hatte bereits in der Schwangerschaft jeden Tag den Kontakt mit dir gepflegt, hatte deine Wünsche nach bestimmten Liedern, Nahrung oder Gewürzen aus früheren Inkarnationen vernommen, um dir die Zeit in ihrem Bauch so angenehm wie möglich zu gestalten. Als es dann soweit war ihren Bauch zu verlassen, war die ganze Gemeinschaft anwesend. Alle sangen, um dich willkommen zu heissen, das Lied deiner Seele, das deine Mutter ihnen beigebracht hatte. Dein Start in diese Inkarnation war erfüllt mit dem tiefem Vertrauen, vom Leben getragen zu werden, mit grosser Zuversicht in deine zukünftige Aufgabe, deine Bestimmung und die Entfaltung deiner Talente. In dir war der natürliche Wunsch dieses Reservoir deiner noch nicht entfalteten, noch nicht gelebten Dinge, zur vollen Blüte zu bringen.
Als du deine Aufgaben, deinen Seelenplan erfüllt hattest, konntest Du mit einem Gefühl großer Erfüllung und Befriedigung zurückschauen und dich mit Leichtigkeit von der Erde verabschieden. Deine Seele war mehr als zufrieden mit dir. Alles, was du in diesem Leben tun und erleben wolltest, alle Gefühle, die du erfahren wolltest, um deine Seele reifen zu lassen, hattest du bis zum letzten Tropen mit deinen Sinnen und deinem ganzen Sein ausgefüllt.
Wovon ich hier berichte ist nicht eine utopische Gesellschaft, sondern beschreibt die Einstellung zum Leben in der afrikanischen Kultur der Dagara in Burkina Faso. ( Sobonfu E. Somé in ihrem Buch: „Welcoming Spirit Home – Ancient African Teachings to Celeberate Children and Community“ ) Als ich dieses Buch vor vielen Jahren zum ersten Mal gelesen habe, habe ich geweint, denn meine Erfahrungen als Kind waren das vollkommene Gegenteil. Weder war ich gewollt, noch wurde ich willkommen geheißen. Unerwünschtheit, Verlassenheit und Hoffnungslosigkeit waren die primären und prägenden Erfahrungen meiner ersten 10 Lebensjahre. Die Wege, die ich gehen musste, um wieder in Kontakt mit meiner ursprünglichen Absicht zu kommen und die Stimme meiner Seele zu hören, waren vielfältig und oft genug schmerzhaft, aber ich kenne kein schöneres Gefühl als im Selbst angekommen und mit der Seele verbunden zu sein.
In vielen Begegnungen mit Menschen habe ich beobachten können, dass meine Geschichte keine Ausnahme war, sondern eher die Regel. Kern-Überzeugung der westlichen Gesellschaften ist die vom Kampf ums Überleben und dem Glauben, dass das Leben dich weder willkommen heißt, noch sich groß darum schert, was deine Talente oder dein Seelenplan sein könnte. Darwins Theorie des Überlebenskampfes brachte nur zum Ausdruck, was Jahrtausende von Krieg und Verwüstungen in der Seele der Menschen und im kollektiven Unbewussten als fundamentales Lebensprinzip verankert hatte. Was wir dagegen von der Kultur der afrikanischen Dagara lernen können ist, dass das Leben auch mit völlig anderen Werten gelebt werden kann. Die Zeit für den Aufbau einer neuen Zukunft ist jetzt, denn das alte System kollabiert gerade mit samt seiner zerstörerischen Wachstums-Ideologie.
Eine der wichtigen Ingredienzen für eine für alle Menschen lebenswerte Zukunft ist eine lebendige, offene und ideologiefreie Spiritualität, wie sie die Dagara seit Jahrtausenden praktizieren. Diese breitet sich seit geraumer Zeit im Untergrund der westlichen Konsum-Kulturen, auch wenn sie von fast allen Medien als „Esoterik-Blödsinn“ abgewertet wird, kontinuierlich aus. Dieser seit den 60iger Jahren wachsende, spirituelle Untergrund wird das Fundament sein für eine Bewusstseinsgesellschaft, die sich in den nächsten 8-10 Jahren entwickeln wird. William James, Gründer der amerikanischen Psychologie, war einer der ersten, der in seiner Forschung über die „Vielfalt spiritueller Erfahrungen“ den Versuch unternahm, den Bereich des Transpersonalen mit einem offenen Geist zu beschreiben.
Für die Dagara ist der Dialog mit der Seele, mit den Ahnen oder dem noch ungeborenen Embryo etwas selbstverständliches, denn sie erfahren es als ein direktes, unmittelbares Erleben. Ihre tiefe Verwurzelung in der Seele und Verbindung mit der Natur erzeugte über Jahrhunderte eine Gesellschaft, die uns für eine neue, zukünftige Realität inspirieren kann.
Himmels-Tor
„Bauchige Wolken, rund und weich, bilden ein Himmels-Tor, offen und weit.
Mein wunderschönes Babygesicht lacht und strahlt vor Glück,
wie eine kleine, göttliche Sonne, ein reiner, unschuldiger Stern,
ein Liebling des Universums. Leicht und frei, wie eine Libelle, ein vollkommenes Lichtwesen, vergnügt in seinem unermesslichen Potential, ein Genie!
Eine jede meiner Zellen lacht, kugelt sich im puren Vergnügen
meines Bewusstseins. Ich atme die Freundschaft und Reinheit der Elemente,
atme den Duft der Blumen und der Wiesen, lausche dem inspirierten Gesang der Vögel, tanze zu dieser Musik, wie ein blauer Schmetterling.
Und meine Augen strahlen wie glückliche Juwelen,
weil mein Herz so leicht ist wie eine Feder und so rein wie Quellwasser
und genauso lustig und weich.
Alles in mir fliesst und tanzt und strahlt und mein Geist ist ein Kristall,
dessen tausend Facetten kaleidoskopartig spielen.“
Tamara
Für mich hat der Weg in meine innerste Natur gleichzeitig den Weg in einen völlig andere Wahrnehmung und einen respektvollen Umgang mit der äußeren Natur geebnet. Der Schlüssel dafür war das Eintauchen in mein Arsenal von ungelebten Sehnsüchten und Mustern, das Aufräumen alter Wunden und die Vertiefung meiner Intuition durch Meditationstechniken vieler Kulturen. Die Seele verlangt von uns zuallererst die Bereitschaft tiefer zu gehen als Verstand und Logik, sich von den Erwartungen anderer und der Gesellschaft zu lösen und in die Intimität des Seins einzutauchen. Dabei kann es sehr hilfreich sein, sich immer wieder zu fragen: Was ist das, was meine Seele mir heute zeigen will? Wenn ich auf meine innere Stimme, mein Bauchgefühl hören würde, wie würde ich dann entscheiden? Was würde ich sagen, wenn ich meine Seele sprechen lasse?
uns in eine neue Zeit begleiten.
Tamara & Ralph
Juni 2020